„Klimaneutral“, „CO₂-neutral“, „Netto‑Null“ – diese Begriffe begegnen uns überall: auf Produktetiketten, in Konzernberichten oder politischen Programmen. Doch oft werden sie unscharf oder synonym und oftmals falsch verwendet – ob bewusst oder unbewusst.
Die Diskussion um die korrekte Verwendung von Klimaschutzbegriffen hat durch die Einführung der europäischen EmpCo-Directive (Empowering Consumers for the Green Transition) eine neue Dynamik erhalten. Ziel der Richtlinie ist es, Greenwashing zu verhindern und Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführenden Umweltaussagen zu schützen. Unternehmen müssen künftig nachweisen, dass ihre Aussagen zu „Klimaneutralität“, „CO₂-Neutralität“ oder ähnlichen Begriffen wissenschaftlich fundiert, nachvollziehbar und überprüfbar sind. Mit den neuen Regeln sollen Verbraucherinnen und Verbraucher vor Irreführung geschützt, und in ihrem Bemühen unterstützt werden, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen. Die geplante ergänzende Green Claims Directive liegt allerdings aktuell auf Eis und wird aller Voraussicht nach nicht kommen. Die EU-Kommission hat vor kurzem überraschend angekündigt, Richtlinie zurückziehen zu wollen. Lesen Sie dazu auch den DFGE-Artikel zu den neusten Entwicklungen der EU-Anit-Greenwashing-Richtlinien.
Trotz dem voraussichtlichen Aus der Green Claims-Directive steigen Inkrafttreten der EmpCo-Direktive die Anforderungen an Transparenz und Nachweisbarkeit steigen deutlich. Pauschale Werbeaussagen ohne belastbare Grundlage werden künftig nicht mehr zulässig sein. Umso wichtiger ist daher Klarheit bei der Bedeutung von Begriffen und eine präzise Unterscheidung zwischen ihnen.
Wir erklären daher in diesem Beitrag die wichtigsten Begriffe im Dschungel der „Klimaneutralität“ und grenzen sie klar voneinander ab.
Begriffsabgrenzung
In der Praxis werden verschiedene Begriffe rund um „Klimaneutralität“ oft synonym verwendet – dabei gibt es wichtige Unterschiede:
Klimaneutralität
Klimaneutralität ist vielleicht der irreführendste Begriff in der öffentlichen Diskussion, in Unternehmensstrategien und auf Produktverpackungen, da er suggeriert, dass ein beispielsweise ein Produkt oder gar ein Unternehmen keinerlei Klimaauswirkungen hat – was nach genauer Definition faktisch kaum möglich.
Klimaneutralität bedeutet streng genommen, dass unter dem Strich keinerlei Auswirkungen auf das globale Klima entstehen. Denn neben Treibhausgasen bezieht dieser Ausdruck auch indirekte Klimaeffekte mit ein, wie zum Beispiel eine verminderte Sonnenrückstrahlung durch Bebauung und Landnutzung. Dieser Zustand ist jedoch aufgrund der Komplexität der Bilanzierung kaum messbar und zudem praktisch nahezu unmöglich, und daher de facto nahezu nicht existent. Daher sollte der Begriff insbesondere im unternehmerischen Kontext nur klar abgegrenzt und mit sachlicher Transparenz verwendet werden.
Dennoch wird Klimaneutralität auch von Staaten oder anderen Gebietskörperschaften als politisches Ziel formuliert. So strebt die EU an, bis 2050, die Bundesrepublik Deutschland bis 2045 klimaneutral zu sein. Die Bundesregierung hat dieses Ziel jüngst sogar in der Verfassung gesetzlich verankert.
Im Zusammenhang mit Klimaneutralität als Staatsziel handelt es sich um ein politisches und gesellschaftliches Orientierungsziel, vergleichbar wie „Vollbeschäftigung“ oder „soziale Gerechtigkeit“. In diesem Kontext ist Klimaneutralität mit Treibhausgasneutralität gleichzusetzen. Allerdings verwendet auch die Bundesregierung inzwischen bevorzugt den Begriff „Netto-Treibhausgasneutralität“ und definiert diesen folgendermaßen: „Treibhausgasneutralität ist erreicht, wenn anthropogene Emissionen von Treibhausgasen durch Senken ausgeglichen werden.“ (Klimaschutzgesetz (KSG), § 2 Abs. 9). In der öffentlichen Kommunikation wird der Begriff Klimaneutralität dennoch weitgehend synonym verwendet.
Treibhausgasneutralität / Netto-Null / Net-Zero
Diese drei Begriffe beschreiben einen Zustand, bei dem ein Ausgleich von ausgestoßenen Treibhausgasemissionen stattgefunden hat. Hierbei müssen THG-Emissionen zunächst so weit wie möglich minimiert werden und verbleibende unvermeidbare Emissionen der Atmosphäre beispielsweise durch Entnahmen (Senken) wieder entzogen werden. Berücksichtigt sind hier neben Kohlendioxid (CO₂) auch alle anderen relevanten Treibhausgase gemäß des Kyoto-Protokoll, wie beispielsweise Methan oder Lachgas.
(Im Zusammenhang mit Science Based Targets ist der Begriff Net-Zero ambitionierter: hier dürfen nur max. 5-10% Restemissionen nach einer Reduktion der Gesamtemissionen von 90-95% gegenüber einem Basisjahr dauerhaft neutralisiert werden.)
CO₂-Neutralität / Carbon Neutrality
CO₂-Neutralität bezieht sich, anders als Treibhausgasneutralität, auf den reinen Ausgleich zwischen dem Ausstoß von Kohlendioxid und dessen Bindung aus der Atmosphäre in sogenannten Kohlenstoffsenken (z.B. Böden, Wälder, Ozeane). Da Emissionen jedoch üblicherweise in CO₂-Äquivalenten (CO₂e) ausgewiesen werden, also hier die Emissionen durch den Ausstoß anderer relevanter Treibhausgase ebenfalls einbezogen sind, entspricht CO2-Neutraliät in der Praxis meist der Treibhausgasneutralität.
Carbon Offset / CO2-Kompensation
Für eine bestimmte Menge an ausgestoßenem CO₂ wird eine entsprechende Menge an Emissionen an anderer Stelle eingespart. Dies geschieht häufig durch Investitionen in Umweltprojekte, die CO₂ reduzieren oder binden, wie Aufforstung oder erneuerbare Energien (Offsetting / Kompensation / Neutralstellung).
Negativemissionen
Jene Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre durch sogenannte Senken, wodurch ausgestoßenes CO₂ ausgeglichen oder neutral gestellt werden kann, werden als Negativemissionen beschrieben.
Netto-Negativemissionen / Klimapositiv
Als netto-negativ oder klimapositiv wird ein Zustand beschrieben, bei dem eine Menge an CO₂ der Atmosphäre entzogen wird, die über Menge hinausgeht, die für Neutralstellung von Restemissionen notwendig wäre. Dies schafft einen zusätzlichen, positiven Umweltnutzen.
Reduktion vor Kompensation
Bei den behandelten Begriffen geht es immer um eine Form von Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre, um eine „Neutralität“ herzustellen. Dabei ist jedoch wichtig, dass Emissionsminderungsmaßnahmen immer das erste Ziel sein sollten. Entnahme von verbleibenden Restemissionen durch (nachweisbare, glaubwürdige) Kompensationsmaßnahmen mittels natürlicher (z.B. Wälder) und technischer Senken (z.B. CCS) sollten immer nur einen letzten, zusätzlichen Schritt darstellen.
„Neutralität“ durch Offsets oder Zertifikate ist als Ergänzung sinnvoll und notwendig, sollte jedoch kritisch bewertet und die tatsächliche Wirksamkeit der zugrundeliegenden Kompensationsprojekte sorgfältig geprüft werden.
Fazit
Die Begriffe rund um „Klimaneutralität“ werden häufig unpräzise oder irreführend verwendet – mit erheblichem Risiko für Greenwashing. Die neue EU-„EmpCo“-Richtlinie schafft hier klare Anforderungen: Umweltbehauptungen müssen künftig wissenschaftlich fundiert, nachvollziehbar und überprüfbar sein. Grundlage hierfür ist eine saubere begriffliche Abgrenzung, sowie die konsequente Priorisierung von Emissionsreduktion vor Kompensation. Nur so lassen sich glaubwürdige Klimastrategien entwickeln und Konsumentinnen und Konsumenten wirksam vor Greenwashing schützen.
Weitere Informationen finden Sie hier oder nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf: 📧 | 🌐 www.dfge.de
Quellen
- Umweltbundesamt
- BMZ
- Klimaschutzgesetz
- ISO 14068:2022