Energie ist immer und überall verfügbar. Das könnte ein unbedarfter Konsument in der westlichen Welt sicherlich so wahrnehmen. Einfach auf den Schalter gedrückt und schon erscheint die Wohnung im aktuell schon gedämpften Licht der Energiesparlampe. Just deren Vorgängerin wurde ja der Kampf angesagt, da neben Licht vor allem Wärme an die Umgebung abgegeben wurde. Somit war die Umsetzung der Elektrizität zur reinen Beleuchtung reichlich ineffizient.
An vielen Orten gibt es solche „überschüssige“ Energie, die aufgrund der geringen Intensität nicht wirklich nutzbar war. Die Einstrahlung der Sonne mag hier eine der Ausnahmen sein, die auch in großtechnischen Anlagen umgesetzt wird. Eine Gemeinsamkeit ist aber die quasi kostenlose Verfügbarkeit dieser Energie in der Umgebung wo sie gebraucht wird.
Um die Nutzung dieser Umgebungsenergie geht es beim Energy Harvesting – also bei der „Ernte“ von verfügbarer Energie. Die unterschiedlichen Anwendungen und Prinzipien werden von Prof. Jürgen Schwager dargestellt. Die physikalischen Grundlagen, die umgesetzt werden, wie der Thermoelektrische- oder der Piezo-Effekt, sind seit Jahrhunderten bekannt. Die intelligente Steuerungstechnik, die mit einem Minimum an Energie auskommt, lässt jedoch bis heute auf sich warten. Konkrete Anwendungen aus der Praxis werden von den Firmen EnOcean und Micropelt präsentiert. Was, wenn eine Anbindung an bestehende Netze oder ein langlebiger Speicher nur mit großem Aufwand möglich sind? Eines der eingängigsten und alltäglichsten Beispiele ist sicherlich das Betätigen eines gewöhnlichen Lichtschalters. Die zur Betätigung des Schalters aufgebrachte Energie reicht schon aus, um das Signal zum Einschalten zu geben – ohne Kabel.
Die Technisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche wird sicherlich weiter voranschreiten. Was auch mehr und mehr Sensoren, Relais, Geräte und Anwendungen an einer Vielzahl unterschiedlicher Orte mit sich bringt. Wie man die Versorgung autarker Kleinsysteme möglich macht erklärt Jörg Schaufuß und Prof. Thomas Becker zeigt auf, wie Sensoren in modernen Flugzeugen auch ohne Kabel auskommen.
Oft mag man es als selbstverständlich hinnehmen, zusätzliche Energie für den Betrieb bereit stellen zu müssen, doch zunehmend kann man dank der technischen Möglichkeiten darüber nachdenken, verfügbare Umgebungsenergie sinnvoll zu nutzen. Somit ist diese Energie sicherlich nicht kostenlos in der Bereitstellung, aber spart Kosten, da sie verwendet werden kann und nicht nur zur Erhöhung der Entropie beiträgt. Verschwendung von Energie war noch nie eine gute Option – und das ist heute klarer denn je.
Wolfgang Berger für die VDI Mitgliederzeitschrift Technik in Bayern – Ausgabe 6/2010 – Editorial