Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung
In den letzten Jahrzehnten kam es im Zuge der fortschreitenden Globalisierung zu einer immer tieferen Verzweigung des Welthandels. Mittlerweile machen globale Wertschöpfungsketten über 80% des Welthandels aus. [1] Auch Deutschland ist intensiv in die internationalen Wertschöpfungsketten eingebunden. Diese Entwicklung führte in vielen Industrieländern zu immer größerem Wohlstand und steigenden Profiten. Dem gegenüber stehen jedoch extrem hohe Belastungen für Mensch und Umwelt in Entwicklungs- und Schwellenländern. Über die letzten Jahre häuften sich Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen entlang der Lieferketten, deren Ursprung zumeist in Ländern des globalen Südens liegt. Dieses System der Externalisierung führt nicht mehr nur zu starken lokalen Differenzen, sondern zunehmend zu weltweiten Problemen, wie beispielsweise dem Klimawandel. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) betitelten diesen Konflikt als die „Soziale Frage des 21. Jahrhunderts“. [2]
Politisches Engagement
Bereits im Jahr 2011 beschäftigten sich die Vereinten Nationen und die OECD mit diesem Konflikt und verabschiedeten erste Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. In einigen Ländern – beispielsweise Frankreich, Niederlande oder Großbritannien – wurden diese Leitprinzipien im Anschluss auch gesetzlich festgehalten. Die deutsche Bundesregierung hingegen entschied sich für einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien (NAP), der auf dem freiwilligen Engagement der Unternehmen basiert. Im Koalitionsvertrag von 2016 wurde vereinbart diesen Aktionsplan und dessen Erfolg mit Hilfe von Überprüfungsmechanismen und Befragungen zu evaluieren. Diese Untersuchungen zeigten jedoch, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung nicht ausreichend ist und so kam es zu einem ersten Entwurf eines Lieferkettengesetzes im Juni 2020. [3] Im Februar 2021 kam es schließlich zu einer Einigung zwischen den involvierten Ministerien (Bundesministerien für Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Arbeit und Soziales (BAMS) und Wirtschaft und Energie (BMWi)). Der Bundestag soll noch in dieser Legislaturperiode über den neuen Gesetzesentwurf abstimmen. [4]
Eckpunkte des Sorgfaltspflichtengesetz (Lieferkettengesetzes)
Der Anwendungsbereich des Gesetzes – insbesondere die Unternehmensgröße, ab welcher das Gesetz greifen soll – war ein entscheidender Streitpunkt während der lang andauernden Diskussionen der betroffenen Ministerien. Der aktuelle Gesetzesentwurf soll ab dem Jahr 2023 für Unternehmen greifen, die in Deutschland ansässig sind (unternehmerische Steuerungsentscheidungen in Deutschland) und deren Mitarbeiterzahl über 3000 liegt. Ab dem Jahr 2024 soll das Lieferkettengesetz auch für kleinere Unternehmen gelten, die mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigen.
Hauptbestandteil des neuen Gesetzes soll insbesondere die Regelung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen sein. Die Prozessstandards dieser Sorgfaltsplichten orientieren sich an den UN-Leitprinzipien und den Leitsätzen der OECD und beinhalten folgende Parameter [5]:
- Ermittlung und Analyse von Risiken: Relevante Risikofelder entlang der Wertschöpfungskette bezüglich international anerkannter Menschenrechte müssen ermittelt und bewertet werden. Es gibt keine gesonderte Überprüfung des Umweltschutzes.
- Ergreifen von Folgemaßnahmen: Maßnahmen zur Vorbeugung, Minimierung und Behebung von negativen Auswirkungen müssen ergriffen werden.
- Kontrolle der Maßnahmen: Die Wirksamkeit der Maßnahmen muss überprüft werden.
- Beschwerdemechanismen: Zur frühzeitigen Identifizierung von Menschenrechtsverletzungen müssen interne oder externe Beschwerdemechanismen eingeführt werden.
- Berichterstattungspflicht: Unternehmen müssen jährlich transparent und öffentlich über oben dargestellten Kernelemente berichten.
Das Sorgfaltspflichtengesetz begründet eine Bemühungspflicht und keine Erfolgspflicht. Der Gesetzesentwurf richtet sich viel mehr nach dem Prinzip der Angemessenheit. Das geforderte Risikomanagement soll demnach im Hinblick auf Art und Umfang der Geschäftstätigkeit verhältnismäßig und zumutbar ausgestaltet werden. Relevant sind in diesem Zusammenhang unter anderem die Wahrscheinlichkeit, mit der sich Risiken ergeben können, die Schwere eines möglichen Schadens und auch die tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten eines Unternehmens innerhalb einer Lieferkette. [6]
Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten soll zukünftig durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überwacht werden. Bei Missachtung der Pflichten kann es zu Zwangs- und Bußgeldern in höhe von bis zu zehn Prozent des Umsatzes eines Unternehmens kommen. Zusätzlich können Unternehmen abhängig von der Höhe des Bußgeldes für bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. [7]
Des Weiteren soll das Lieferkettengesetz Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften ermöglichen private Geschädigte vor deutschen Gerichten zu vertreten, wenn es entlang der Lieferkette Verstöße gegen Standards gibt. [8]
Initiative Lieferkettengesetz
Die Initiative Lieferkettengesetz ist ein Zusammenschluss zahlreicher Organisationen, der sich verstärkt dafür einsetzt, dass Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette Menschenrechte achten und Umweltzerstörung vermeiden (Initiative Lieferkettengesetz). Die Initiative fordert einen gesetzlichen Rahmen und erstellte hierfür einige Verbesserungsvorschläge zu dem aktuellen Gesetzesentwurf. Es wird unter anderem eine Erweiterung des Anwendungsbereiches gefordert, bei dem sich die Größenschwelle am HGB orientiert (250 Beschäftigte) und Unternehmen erfasst werden, die in Deutschland ansässig oder geschäftstätig sind. Da Umweltaspekte lediglich als Risikobereich im Rahmen der menschenrechtlichen Risikoermittlung aufgelistet sind, beinhaltet eine weitere Forderung die gesonderte Betrachtung einer umweltbezogenen Sorgfaltspflicht.[9]
DFGE und das Lieferkettengesetz
Die DFGE beschäftigt sich seit über zwei Jahrzehnten unter dem Überbegriff Sustainability Intelligence neben Ökobilanzierungen und Nachhaltigkeitsberechnungen auch mit Corporate Social Responsibility. Insbesondere mit der Nachhaltigkeits-Berichtserstattung nach den Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI| GRI Global Reporting Initiative: CSR Berichte für Unternehmen (dfge.de)) können wir Unternehmen auch bezüglich des neuen Sorgfaltspflichtengesetzes unterstützen. Über allgemeine Angaben zur Firmenstrategie und Unternehmensführung hinaus können hierbei auch spezifischere Unterpunkte der Nachhaltigkeit wie beispielsweise CO2-Emissionen, Kinderarbeit oder Nachhaltigkeit in der Zulieferkette betrachtet werden.
Quellen:
[1], 2, [3] BMZ (2020). Lieferketten.
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Themen – Lieferketten (bmz.de). Letzter Zugruff: 20.02.2021
4, [7] SZ (2021). Blick in die Lieferkette.
Lieferkettengesetz: Minister einigen sich auf Menschenrechte – Wirtschaft – SZ.de (sueddeutsche.de). Letzter Zugriff: 18.02.2021
[9] ILKG (2020). Auswertung der Eckpunkte des Lieferkettengesetzes.
Auswertung der Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz. Letzter Zugriff: 20.02.2021
8 Noerr (2021). Das neue Sorfaltspflichtengesetz.
Das neue Sorgfaltspflichtengesetz (Lieferkettengesetz) – Noerr. Letzter Zugriff: 21.02.2021
[5], [6] Eckpunkte (2020). Eckpunkte des Sorgfaltspflichtengesetzes.
11-03-2020_Anl1_Eckpunkte-Sorgfaltspflichtengesetz.indd (die-korrespondenten.de). Letzter Zugriff: 18.02.2021