Überraschende Kehrtwende bei der EU Green Claims Directive
Am 20. Juni 2025 erklärte die Europäische Kommission überraschend, den Vorschlag für die Green‑Claims‑Richtlinie zurückziehen zu wollen, weil die laufenden Verhandlungen das Ziel einer Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen verfehlten. Als Hauptgrund nannte die Kommission, dass eine Parlamentsänderung bis zu 30 Millionen Mikrounternehmen in den Geltungsbereich einbeziehen würde und damit den Bürokratieaufwand sprunghaft ansteigen ließe.
Die für den 23. Juni 2025 angesetzte abschließende Trilog‑Sitzung wurde daraufhin abgesagt.
Formal ist die Richtlinie noch nicht zurückgezogen. Die Kommission stellt jedoch klar: Sollte die umstrittene Einbeziehung von Mikrounternehmen in der Endfassung bleiben, werde sie den Vorschlag endgültig kassieren. In der Praxis liegt das Projekt damit auf Eis, Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Green‑Claims‑Richtlinie in ihrer bisherigen Form kaum noch eine Zukunft hat.
Hauptgründe für den Rückzug sind zum einen der politische Widerstand (vor allem die EVP‑Fraktion sowie rechte Parteien sehen die Regeln als übermäßig bürokratisch an), sowie die Bürokratie‑Agenda der Kommission, nach der kleinste Unternehmen von EU‑Vorschriften entlastet werden sollen.
Keine Folgen für die bereits in Kraft getretene EmpCo‑Richtlinie
Der mögliche Rückzug hat keinerlei Auswirkungen auf die bereits verabschiedete Empowering‑Consumers‑Richtlinie (EmpCo, Richtlinie (EU) 2024/825). Diese ist bereits am 26. März 2024 in Kraft getreten und muss bis zum 27. März 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Nach einer maximal 6-monatigen Übergangsfrist greift die Direktive dann spätestens ab dem 27. September 2026.
Die Direktive bringt unter anderem folgende Neuerungen:
- Verbot vager Umweltwerbung: Begriffe wie „klimaneutral“, „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ dürfen nur noch verwendet werden, wenn sie nachweislich belegt und transparent erklärt sind.
- Erweiterung der „Blacklist“ unlauterer Praktiken: Greenwashing, das Verschweigen der Produktlebensdauer oder intransparente Software-Updates gelten künftig als irreführend.
- Verpflichtung zu klarer Kennzeichnung: Unternehmen müssen Verbraucherinnen und Verbrauchern konkrete Informationen über Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Updates von Produkten zur Verfügung stellen.
EmpCo vs. Green Claims – eine Abgrenzung
Die EmpCo-Richtlinie stellt eine allgemeine Grundlage zur Bekämpfung von Greenwashing dar. Sie verbietet irreführende Umweltbehauptungen und reguliert insbesondere allgemeine Aussagen wie „umweltfreundlich“, „klimaneutral“ oder „recycelbar“ sowie unternehmenseigene Siegel. Ziel ist es, Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor Täuschung zu schützen und ihnen eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu geben. Unternehmen müssen künftig sicherstellen, dass solche Aussagen klar belegt, nachvollziehbar und transparent sind.
Die Green Claims Directive hingegen war als spezifischere Ergänzung – als sogenannte lex specialis – konzipiert. Sie hätte über die allgemeinen Verbote hinaus konkrete Anforderungen an die Substantiierung und Kommunikation freiwilliger Umweltbehauptungen eingeführt. Vorgesehen waren unter anderem verpflichtende Vorab-Prüfungen durch unabhängige Stellen, transparente Informationspflichten gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern, sowie strengere Anforderungen an Umwelt- und Nachhaltigkeitssiegel. Ihr möglicher Wegfall bedeutet, dass diese weitergehenden, einheitlichen Prüf- und Nachweispflichten auf EU-Ebene vorerst nicht eingeführt werden.
Die EmpCo-Richtlinie: Paradigmenwechsel in der Nachhaltigkeitskommunikation
Auch wenn die Green Claims Directive in der vorgesehenen Form nicht kommt: Die EmpCo-Richtlinie verpflichtet Unternehmen zu wesentlich sorgfältigerem Umgang mit freiwilligen Umweltaussagen:
- Jede Umweltaussage muss wissenschaftlich fundiert und transparent dokumentiert sein.
- Verstöße gegen die Vorgaben der EmpCo können Bußgelder von mindestens 4 % des Jahresumsatzes nach sich ziehen.
- Unternehmen müssen den Verbraucherinnen und Verbrauchern alle relevanten Informationen in leicht zugänglicher Form bereitstellen.
- Die ursprünglich vorgeschriebene Prüfung von Umweltaussagen durch unabhängige Stellen auf Kosten des Unternehmens wird vorerst nicht kommen.
Was Unternehmen jetzt tun sollten
- Bestehende Umweltclaims inventarisieren und auf belastbare Nachweise prüfen.
- Interne Prozesse anpassen: Marketing, Recht und Produktentwicklung gemeinsam schulen.
- Kontakt zu unabhängigen Prüforganisationen aufbauen – auch ohne Green Claims Direktive werden externe Nachweise zunehmend Marktstandard.
- Entwicklungen zur EU Green‑Claims‑Richtlinie beobachten und die eigene Nachhaltigkeitsstrategie flexibel halten.
Unternehmen, die nun vor dem Hintergrund der verschärften Anforderungen ganz auf Umweltkommunikation verzichten, riskieren einen Verlust an Sichtbarkeit und Vertrauen. Vielmehr gilt es, sein Unternehmen auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.
Wer ist betroffen?
Die EmpCo-Richtlinie gilt branchenübergreifend für alle Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen in der EU vertreiben – unabhängig von Größe oder Herkunft. Auch nicht-europäische Unternehmen, die in der EU aktiv sind, müssen die Vorgaben einhalten. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind teilweise erleichterte Anforderungen oder längere Übergangsfristen vorgesehen – die grundlegenden Pflichten gelten jedoch auch für sie.
Fazit: Klarheit statt Greenwashing
Das Inkrafttreten der EmpCo‑Richtlinie verschärft den Kampf gegen Greenwashing. Wenn die EU Green‑Claims‑Richtlinie in der bisher geplanten Form nicht kommen sollte, entfiele für Unternehmen zwar ein Teil des Zertifizierungsaufwands, aber die Verpflichtung zu transparenten, belegbaren Umweltversprechen bleibt – gefordert durch EmpCo, nationale Gesetze und den Markt. Unternehmen, die weiterhin mit irreführenden Umweltaussagen werben, müssen nicht nur mit empfindlichen Geldstrafen rechnen, sondern auch mit einem Glaubwürdigkeitsverlust und einem Reputationsschaden. Unternehmen sollten daher jetzt aktiv werden und ihre Umweltaussagen auf eine belastbare Basis stellen, um sich nicht nur rechtliche Compliance, sondern auch das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu sichern – und damit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. So wird die Glaubwürdigkeit von Aussagen zum Umwelt- und Klimaschutz sowie zu Nachhaltigkeitsanstrengungen langfristig gestärkt und Verbraucherinnen und Verbrauchern geholfen, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen.
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Quellen
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A52023PC0166
https://www.umweltbundesamt.de/themen/neue-eu-regeln-gegen-greenwashing-verabschiedet
https://www.politico.eu/article/commission-to-kill-eu-anti-greenwashing-rules
https://www.esgtoday.com/eu-commission-clarifies-anti-greenwashing-law-has-not-been-withdrawn/