Herausgeber: adelphi, Thomas Fleissner (DFGE GmbH)
Autorinnen: Johanna Anna Hansjürgens (adelphi), Isell Baldauf (adelphi), Alina Ulmer (adelphi), Dr. Susanne Pankov (DFGE), Maureen Habermann (DFGE), Eva Kleemann (DFGE), Elisabeth Voigt (DFGE)
Veröffentlichung: Mai 2023
Hintergrund & Geltungsbereich
Die im Januar 2023 in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist eine Richtlinie der Europäischen Union, die die bisher geltende Non-Financial Reporting Directive (NFRD) ablöst. Die NFRD war die Grundlage für die Berichtspflicht zur sozialen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen in der EU. Mit der neuen CSRD verfolgt die EU das Ziel, die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erweitern, zu verbessern und zu vereinheitlichen. Basierend auf der CSRD wird auch die deutsche Umsetzung der NFRD, das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) aus dem Jahr 2017, vollständig aktualisiert. Insgesamt sollen nichtfinanzielle Themen zu einem integrativen Bestandteil der bestehenden Offenlegungspraktiken werden. Nachhaltigkeitsberichterstattung wird damit auf die gleiche Stufe wie die finanziellen Lageberichterstattung gehoben. Ein finaler Entwurf der von der EFRAG erarbeiteten sektorunabhängigen (Kernstandards) wurde bereits im November 2022 veröffentlicht. Die sektorspezifischen Standards befinden sich aktuell noch in Abstimmung und sollen planmäßig im zweiten Halbjahr 2023 veröffentlicht werden.
Während Steckbrief 1 einen ersten Überblick über die Hintergründe und den Geltungsbereich der Richtlinie sowie die Anforderungen der ESRS bietet, beschreibt Steckbrief 2 das Konzept der “Double Materiality” oder der doppelten Wesentlichkeit. Beide Steckbriefe stellen eine wichtige Grundlage für das Verständnis und die Einordnung des hier erläuterten Standards, Climate Change [ESRS E1], dar. Besonders weil die im ESRS E1 behandelten Themen zu Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie für alle berichtspflichtigen Unternehmen, unabhängig der Resultate ihrer Wesentlichkeitsanalyse, relevant sind. Auch bilden die Inhalte von ESRS 2 (General Disclosures) eine wichtige Basis für den hier diskutierten Standard. Dieser fragt grundlegende Unternehmensdaten und Querschnittsinformationen zur Nachhaltigkeitsgovernance und -strategie des Unternehmens ab und legt fest, wie nachhaltigkeitsbezogene Auswirkungen, Risiken und Chancen identifiziert werden. Zudem beinhaltet er Informationen darüber, welche Richtlinien und Maßnahmen zur Anwendung kommen und mit welchen Zielen und Kennzahlen die Fortschritte des Unternehmens gesteuert werden.
Ziele & Inhalte des Standards
Die Hauptthemen des Standards [ESRS E-1] sind Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie. Im Rahmen der CSRD müssen berichtspflichtige Unternehmen folgende klimarelevante Themen der ESRS E1 Climate Change offenlegen:
- Die Auswirkungen des Unternehmens auf den Klimawandel (positiv wie negativ)
- Die vergangenen, aktuellen und geplanten Maßnahmen des Unternehmens zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C
- Die Pläne und Kapazitäten, das Geschäftsmodell an ein 1,5°C kompatibles Ziel anzupassen (Transition Plan)
- Die materiellen Risiken und Chancen, die aus der Abhängigkeit von und den Auswirkungen auf den Klimawandel entstehen. Diese werden aufbauend auf den Ergebnissen einer Szenarioanalyse ermittelt, welche die verschiedenen klimatischen Szenarien betrachtet.
- Die finanziellen Auswirkungen (kurz-, mittel- sowie langfristig), die sich aus den materiellen Risiken und Chancen ergeben.
Alle ESRS Standards lassen sich in eine dreiteilige Säulenstruktur (Säule 1: Allgemeine Angaben, Säule 2: Auswirkungen, Risiko- und Chancenmanagement, Säule 3: Metriken und Ziele)unterteilen. Speziell im Standard ESRS E1 „Climate Change“ sind dabei diese neun Offenlegungspflichten (ESRS E1-1 bis E1-9) innerhalb dieser Struktur relevant. Dabei sind einige Offenlegungsplichten des Standards auch konsistent mit anderen Regulierungen und Berichtsstandards, wie der EU Taxonomie und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Die CSDDD, welche sich aktuell noch im Gesetzgebungsprozess befindet, verpflichtet Unternehmen in Zukunft dazu, ihre THG-Emissionen entlang der gesamten Lieferkette in ihren Nachhaltigkeitsberichten zu dokumentieren.
Säule 1: Allgemeine Angaben
Die erste Säule der Berichterstattung zum Themenfeld Klimawandel baut auf den grundlegenden Anforderungen des ESRS 2 auf und übersetzt diese themenspezifisch. Unternehmen sind aufgefordert, den thematischen Managementansatz in Bezug zur Unternehmensstrategie und Governance zu setzen. In dem Zusammenhang ist auszuführen, wie die themenspezifischen Auswirkungen, Risiken und Chancen ermittelt wurden. Die Offenlegungsanforderung [ESRS E1-1] schreibt zusätzlich die Darstellung eines Plans vor, der konkrete Ziele und Schritte zum Übergang in die Klimaneutralität entsprechend des 1,5°C – Szenarios ausführt (Transition Plan).
Säule 2: Auswirkungen, Risiko- und Chancenmanagement
In dieser Säule sollen alle Ansätze des Unternehmens zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an den Klimawandel offengelegt werden [ESRS E1-2]. Es geht darum, das Vorgehen der Unternehmen zur Identifizierung, Bewertung und Behebung von physischen Klimarisiken (Beispielsweise: Stürme, Überflutungen, Waldbrände) zu berichten. Anpassungsbezogene transitorische Risiken des Klimawandels (z.B. neue Technologie und Märkte) sollten dabei auch in Betracht gezogen werden. Es sollen aber auch die Chancen im Zusammenhang mit dem Klimawandel bewertet und offengelegt werden. Während die ESRS E1-2 sich mit theoretischen Ansätzen befasst, konzentriert sich die ESRS E1-3 auf die tatsächliche Umsetzung davon. Unternehmen sollen geplante und ergriffene Maßnahmen zur Erreichung ihrer Klimaziele offenlegen. Der Standard fordert auch eine Angabe zu den finanziellen Mitteln, die zur Umsetzung der Maßnahmen eingeplant sind. Hier ist einzuordnen, inwiefern die eingesetzten Mittel als Investitionsausgaben (CAPEX) und Betriebsausgaben (OPEX) gemäß der EU-Taxonomie gelten [ESRS E1-3].
Säule 3: Metriken und Ziele
In dieser Säule legt der Berichtsstandard die quantitativen Angaben zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung fest. Dazu zählen die operativen Ziele zur Eindämmung des Klimawandels und zur Klimawandelanpassung [ESRS E1-4]. Als Kennzahlen gibt der Standard folgende Angaben vor:
- zum absoluten Energieverbrauch und zum Energiemix [ESRS E1-5]
- den Treibhausgasemissionen [ESRS E1-6]
- dem Abbau von Treibhausgasemissionen und Einsatz von Emissionszertifikaten [ESRS E1-7]
- der finanziellen Offenlegung von CO2-Preisen [ESRS E1-8]
- den potenziellen finanziellen Auswirkungen von physischen Übergangsrisiken und -chancen [ESRS E1-9]
Es wird erwartet, dass ein berichtspflichtiges Unternehmen über die aufgeführten Kennzahlen die Strategie und Wirkung der Maßnahmen evaluiert. Im Folgenden gehen wir auf die Elemente der dritten Säule genauer ein.
Treibhausgasbilanzierung (THG-Bilanz) (E1-6 – E1-9)
Die THG-Bilanz ist eine Bestandsaufnahme und zeigt Unternehmen an, durch welche Aktivitäten direkt oder indirekt THG-Emissionen verursacht werden. Nur wenn diese Datengrundlage vorliegt, können Klimaschutzziele definiert, Einsparpotenziale ermittelt und ein konkreter Maßnahmenplan erstellt werden.
Die Offenlegungspflicht ESRS E1-6 sieht die Aufstellung der Treibhausgasemissionen nach Scope 1, 2 und 3 nach dem GHG-Protokoll vor. Hier müssen direkte und indirekte Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette offengelegt werden.
- Scope 1: die Brutto-THG-Emissionen in Tonnen CO2-Äquivalent; und den Anteil der Scope-1-THG-Emissionen im Rahmen regulierter Emissionshandelssysteme (%).
- Scope 2: die standortbezogenen Brutto-THG-Emissionen in Tonnen CO2-Äquivalent; und die marktbasierten Brutto-THG-Emissionen nach Scope 2 in Tonnen CO2-Äquivalent.
- Scope 3: THG-Emissionen in Tonnen CO2-Äquivalent aus vorgelagertem Einkauf, nachgelagerten verkauften Produkte, Warentransport, Reisen und Finanzinvestitionen.
Im Gegensatz zu Scope 1 und 2 stellt insbesondere die Erhebung von Scope 3-Emissionen viele Unternehmen vor Herausforderungen:
Daten: Die Datenerhebung zu den indirekten vor- und nachgelagerten Aktivitäten ist bei vielen Unternehmen grundlegend aufzubauen. Dabei sind viele Quellen zu berücksichtigen (Einkauf; Buchung von Geschäftsreisen etc.). Bei der Kategorie „Eingekaufte Waren und Dienstleistungen“ werden insbesondere produzierende Unternehmen zudem vor die Herausforderung gestellt, eine Vielzahl von Emissionsfaktoren für Rohstoffe, Vorprodukte und Hilfsstoffe zu identifizieren. Der Zu- und Umgang mit den Datenbanken für Faktoren bedarf einer Einarbeitungszeit.
Ressourcen: Die Berechnung von Emissionen aus der Wertschöpfungskette erfordert technisches Fachwissen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind vor die Frage gestellt, ob sie eigene Kapazitäten über Schulungen aufbauen können.
Methodik: Der GHG Protocol Scope 3-Standard und der Leitfaden zur Berechnung bieten zwar eine gewisse Orientierung für Unternehmen, die ihre Emissionen in der Wertschöpfungskette berechnen wollen, lassen aber dennoch viele praktische Fragen offen. Hier hilft ein Zusammenschluss mit anderen Anwendern, z.B. über Initiativen der Verbände oder die Handelskammern.
Neben der Erfassung und Offenlegung der Scope 1, 2 und 3-Emissionen müssen zudem die gesamten THG-Emissionen offengelegt werden. Diese entsprechen der Summe der THG-Emissionen von Scope 1-3 und sollten so aufgeschlüsselt werden, dass eine Unterscheidung zwischen den gesamten standortbezogenen THG-Emissionen des Scope 2 und der gesamten marktbasierten Scope-2-THG-Emissionen möglich ist.
Eine THG-Bilanz bietet viele Vorteile. Dazu zählen:
Hotspots identifizieren: Unternehmen können ihre zentralen Emissionsquellen identifizieren und finden heraus, welche Teile ihrer Wertschöpfungskette anfälliger für Risiken sind, die sich aus der zunehmenden Regulierung in Bezug auf den Klimawandel ergeben (z. B. steigende Ressourcenpreisen, Verschärfung von Effizienzstandards).
Zukunft sichern: Gesetzgeber und Investoren fokussieren sich zunehmend auf die Emissionen der Wertschöpfungskette. Um die erfolgreiche Zukunft des eigenen Unternehmens zu sichern, sollte daher ein Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette geworfen werden.
Wettbewerbsvorteile schaffen: Die Berücksichtigung von Scope-3-Emissionen ermöglicht es Unternehmen, Bereiche für Innovationen und Zusammenarbeit zu identifizieren, die zu einem transformativen Wandel führen und Wettbewerbsvorteile verschaffen.
THG-Abbau und Klimaschutzprojekte (E1-7) (falls zutreffend):
THG-Abbau und -Speicherung erfolgt entweder im Rahmen der eigenen Geschäftstätigkeit und durch Investitionen in die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette, oder durch den Erwerb von Emissionszertifikaten über externe Klimaschutzprojekte. Der Standard schreibt vor, dass Unternehmen bei Nutzung von Kompensationsmaßnahmen qualitativ hochwertige Emissionszertifikate erwerben müssen, welche international anerkannten Standards entsprechen. Die Ergebnisse sind in Tonnen CO2-Äquivalenten anzugeben. Unternehmen, die ein Net-Zero Target verfolgen, sind aufgefordert ihren Ansatz zur Neutralisierung der Residualemissionen[1], die nicht mehr als 5-10% der Gesamtemissionen eines Unternehmens ausmachen dürfen, anzugeben. Hier ist die Methodik zu berichten, nach der das Unternehmen die Residualemissionen erfasst, beispielsweise nach dem „Avoid-Reduce-Compensate“ Ansatz[2].
Interner CO2-Preis (E1-8) (falls zutreffend):
Falls eine interne Kohlenstoffpreisregelung (internal carbon price) geschaffen wurde, ist das Unternehmen zur Berichterstattung aufgefordert. Diese Regelung stellt ein wichtiges Instrument für Unternehmen dar, um Klimaschutzmaßnahmen in ihrem Unternehmen zu fördern und diese in ihrer Geschäftsstrategie zu integrieren. Genauer müssen Unternehmen dabei angeben, ob sie einen internen CO2-Preis festgelegt haben, um ihre Treibhausgasemissionen zu internalisieren und zu bewerten. Zudem ist es erforderlich anzugeben, wie dieser berechnet und in die Entscheidungsfindung einbezogen wird.
Potenzielle finanzielle Auswirkungen wesentlicher Risiken und Chancen (E1-9):
Die Berichtspflicht legt fest, wie Unternehmen die potenziellen finanziellen Auswirkungen wesentlicher physischer Risiken, wesentlicher transitorischer Risiken, und wesentliche klimabezogene Chancen analysieren und berichten müssen. Dabei gibt ESRS E1-9 konkret vor, welche Kennzahlen Unternehmen offenzulegen haben und gibt unterstützende Hinweise wie diese erfasst werden können. Eine solche Methodik stellt die Szenarioanalyse dar, nach welcher betrachtet werden kann, wie sich verschiedene klimatische Szenarien auf das Geschäft auswirken können. Der UN Global Compact hat dazu auch ein Diskussionspapier veröffentlicht, welches genauer beschreibt, wie Unternehmen zukünftige Klimarisiken und -chancen anhand einer Szenarioanalyse identifizieren können.
Abschließende Empfehlungen
Unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt ein Unternehmen berichtspflichtig ist, sollte es sich mit den Anforderungen der ESRS rechtzeitig vertraut machen. Das schließt auch kleinere Unternehmen, die erst ab einem späteren Zeitpunkt berichtspflichtig werden, nicht aus. Besonders diese sollten sich rechtzeitig auf die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichtserstattung vorbereiten. Dies sollte nicht die alleinige Aufgabe der Nachhaltigkeitsmanager*innen im Betrieb sein, sondern in Zusammenarbeit mit allen Prozessverantwortlichen im Unternehmen geschehen, damit Daten optimal erfasst und kontinuierlich verbessert werden können. Unternehmen sollten daher möglichst zeitnah mit der Datenerfassung beginnen und entscheiden, welche Art von Daten sie erfassen und welche Methodik verwendet werden soll. Gegebenenfalls kann in diesem Prozess auch eine geeignete Software unterstützen.
Unabhängig davon, ob Unternehmen gerade erst beginnen oder auf Ihrem Weg der Dekarbonisierung weiter fortgeschritten sind, können Zeit und Ressourcen gespart werden, indem ein erfahrener Partner hinzugezogen wird, welcher bei der Entwicklung eines systematischen Managementansatzes zum Klimaschutz mit einer THG-Bilanzierung unterstützt.
Weiterführende Informationen
Hier können Sie auf den Standard zugreifen.
Außerdem hat die EFRAG Erklärvideos zu den einzelnen Standards veröffentlicht, die Ihnen einen besseren Einblick in die Thematik ermöglichen.
Eine Klimabilanzierung kann auch im Rahmen eines Transformationskonzeptes erfolgen, welches den Pfad des Unternehmens zur THG-Neutralität festlegt. Solche Transformationskonzepte werden aktuell auch vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.
Weitere Publikationen und Veranstaltungen
In Folge ist zu allen bereits bestehenden Entwürfen der themenübergreifenden, sowie den themenspezifischen Kernstandards der Bereiche Umweltziele, Sozialstandards und Governance die Veröffentlichung von Steckbriefen, sowie Webinaren geplant.
Kontakt
DFGE – Institute for Energy, Ecology and Economy
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Web www.dfge.de
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[1] Emissionen, die nach der Anwendung von Emissionsreduktionsmaßnahmen verbleiben. Dies kann aufgrund von finanziellen oder technischen Beschränkungen in Unternehmen passieren.
[2] Unternehmen sollten zunächst versuchen, Emissionen zu vermeiden oder zu reduzieren, bevor sie Maßnahmen zur Kompensation ihrer Restemissionen ergreifen.